„Habt ihr Hasen?“
Eine häufig gestellte Frage am Tierheim-Telefon lautet: „Habt ihr Hasen?“ Die korrekte Antwort darauf lautet eigentlich, und zwar immer: Nein. Denn Hasen, in Deutschland vorkommend als Feldhasen, sind reine Wildtiere, die nie domestiziert wurden.
Das Tier mit den langen Ohren und der Mümmelnase, das die Anrufer meinen, ist ein Kaninchen, in der Regel ein Zwergkaninchen. Sogar die großen Langohren, die man landläufig „Stallhasen“ nennt, sind Kaninchen — nur eben keine Zwergkaninchen, sondern „richtige“. Während man männliche Kaninchen und Hasen als Rammler bezeichnet (vom althochdeutschen „Ram“, was Widder oder Bock bedeutet), nennt man weibliche Tiere Zibbe oder Häsin (auch bei Kaninchen!).
Weil dieser Irrtum so weit verbreitet ist, wollen wir Ihnen gerne den Unterschied zwischen Hasen und Kaninchen erklären.
Taxonomie
Die als Haustiere gehaltenen Kaninchen stammen nicht vom Wildtier Hase ab, sondern vom Wildkaninchen. Beide gehören zur Familie „Echte Hasen“ (Leporidae) in der Ordnung der „Hasenartigen“ (Lagomorpha), sind aber verwandtschaftlich doch so weit voneinander entfernt, dass Kaninchen und Hasen nicht miteinander verpaart werden können.
Übrigens steht die Ordnung „Hasenartige“ auf einer Stufe mit der Ordnung „Nagetiere“ (Rodentia) — Kaninchen und Hasen sind also streng taxonomisch betrachtet keine Nagetiere! Immerhin gehören beide Ordnungen, Hasenartige und Nagetiere, zur Kohorte „Nager“ (Glires), womit die (Nage-)Welt wieder ein Stück weit in Ordnung ist.
Ein Vergleich der Wildformen „Europäischer Feldhase“ (Lepus europaeus) und „Europäisches Wildkaninchen“ (Oryctolagus cuniculus) ergibt die folgenden Unterschiede:
Aussehen
Hasen sind schlank und recht groß, mit langen Läufen. Einem sitzenden Hasen kann man problemlos unter dem Bauch und der Brust durchschauen, ein bisschen wie bei einem Hund, der „Sitz!“ macht. Sie haben Ohren, die länger sind als ihr Kopf, mit einer dunklen Spitze. Die Kopfform ist länglich, nicht rund. Das Fell ist rötlichbraun mit weißem Bauch. Kaninchen sind eher rundlich gebaut, wirken gedrungen. Ihre Beine sind deutlich kürzer als beim Hasen, ebenso die Ohren. Die Kopfform ist rundlicher. Das Fell ist graubraun mit einem helleren, aber nicht weißen Bauch.
Verhalten
Hasen sind Einzelgänger, die nur zur Paarung zusammenkommen. Sie leben auf offenen Feldern, schlafen am Tag geduckt in einer Mulde (der „Sasse“). Gefressen wird nachts, im Schutz der Dunkelheit. Bei Gefahr können sie ausdauernd und schnell laufen, um ihren Feinden zu entkommen. Kaninchen hingegen sind Rudeltiere, die in großen Gruppen zusammen in selbst gegrabenen unterirdischen Bauten wohnen (deshalb sollten Kaninchen auch nicht allein gehalten werden!). Auch sie nutzen die Abend- und Nachtstunden zur Futtersuche. Im Gegensatz zu den Hasen sind Kaninchen keine Langstreckenläufer, sondern Sprinter, wenn der Feind kommt: Sie sprinten nämlich bis zum nächsten Eingang ihres Baus und sind weg.
Rechts: Ein Kaninchen kommt selten allein
Fortpflanzung
Sogar die Chromosomenzahl ist unterschiedlich: Hasen haben 48, Kaninchen 44 Chromosomen. Hasen tragen länger als Kaninchen, nämlich ca. sechs Wochen, im Vergleich zu stark vier Wochen bei den Kaninchen. Dafür kommen die Babys der Hasen viel weiter entwickelt zur Welt. Sie sind behaart und haben bereits die Augen offen, sind also Nestflüchter. Kaninchen hingegen kommen als nackte, blinde und taube rosa Würmchen auf die Welt, die ohne ihre Mutter völlig hilflos sind. Sie sind Nesthocker. In beiden Fällen werden die Jungen nur ein- bis zweimal am Tag von der Mutter aufgesucht und gesäugt.
Wenn man in der freien Natur also ein Hasen- oder Kaninchenbaby findet, und die Mutter ist nirgends zu sehen, dann ist das völlig normal und kein Grund, das Baby mitzunehmen. Damit tun Sie dem Tier in der Regel keinen Gefallen. Außerdem ist es verboten, Hasen aus der Natur zu entnehmen, denn sie stehen unter Naturschutz und wegen ihrer Bestandsgefährdung auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Nur wenn sich das Tier eindeutig in einer Notlage befindet oder sich auch nach mehrstündiger Beobachtung kein erwachsenes Tier darum kümmert, können weitere Maßnahmen angezeigt sein.
Alle bisher gezeigten Fotos: Quelle: Wikimedia Commons
Die Aufnahmen wurden im Tierheim Feucht gemacht.